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Prozessbrief

Prozessbrief: Ein Leitfaden für den strukturierten Unternehmensverkauf

Der Prozessbrief, auch bekannt als Process Letter oder Verfahrensbrief, ist ein wichtiges Instrument zur Steuerung und Strukturierung eines Unternehmensverkaufs im Rahmen eines Bieterverfahrens. Er dient als Leitfaden und Spielregeln für die potenziellen Käufer und soll für Transparenz, Fairness und einen effizienten Ablauf des Verkaufsprozesses sorgen.

Inhalt und Funktion des Prozessbriefs

Ein Prozessbrief enthält typischerweise folgende Kernelemente:

  1. Hintergrundinformationen zur Transaktion: Hier werden das zum Verkauf stehende Unternehmen sowie die Ziele und Präferenzen des Verkäufers kurz beschrieben. Auch die Rolle des M&A-Beraters und anderer involvierter Parteien wird erläutert.

  2. Überblick über den geplanten Prozessablauf: Der zentrale Teil des Prozessbriefs ist ein detaillierter Zeitplan, der die einzelnen Schritte und Meilensteine des Verkaufsprozesses auflistet. Dazu gehören Termine für die Angebotsabgabe, die Due Diligence, Managementpräsentationen und die finale Vertragsverhandlung.

  3. Anforderungen an die Bieter: Hier werden die Erwartungen an die Kaufinteressenten formuliert, etwa hinsichtlich der Form und des Inhalts der Angebote, der geforderten Nachweise zur Finanzierungsfähigkeit oder der Vertraulichkeitsanforderungen.

  4. Spielregeln und Verfahrenshinweise: Der Prozessbrief enthält auch Vorgaben zum Ablauf des Bieterwettbewerbs, z.B. zur Kommunikation mit dem Verkäufer, zum Zugang zu weiteren Informationen oder zu den Kriterien für die Bieterauswahl.

  5. Haftungsausschluss und Vorbehalte: Schließlich enthält der Prozessbrief typischerweise auch rechtliche Hinweise, die die Haftung des Verkäufers und seiner Berater begrenzen und dem Verkäufer Flexibilität für Änderungen im Prozessablauf vorbehalten.

Der Prozessbrief hat damit eine doppelte Funktion: Zum einen informiert er die potenziellen Käufer über den geplanten Ablauf und die Anforderungen des Verkaufsprozesses. Zum anderen dient er dem Verkäufer und seinen Beratern als Instrument zur Strukturierung und Steuerung des komplexen Transaktionsprozesses mit oft vielen Beteiligten.

Einordnung und Varianten des Prozessbriefs

In der Praxis kommen Prozessbriefe in verschiedenen Varianten und an unterschiedlichen Stellen im Verkaufsprozess zum Einsatz:

  • Erster Prozessbrief: Ein erster Prozessbrief wird oft bereits mit dem Informationsmemorandum (IM) an den Kreis der ausgewählten Kaufinteressenten versandt. Er gibt einen ersten Überblick über den geplanten Prozessablauf und die Anforderungen für die Abgabe indikativer, unverbindlicher Angebote.

  • Zweiter Prozessbrief: Ein zweiter, detaillierterer Prozessbrief wird typischerweise an die Bieter verschickt, die nach der ersten Angebotsrunde in die engere Auswahl gekommen sind. Er enthält genauere Informationen zum Ablauf der Due Diligence Phase, zum Zugang zum Datenraum und zu den Anforderungen an die finalen, verbindlichen Angebote.

  • Aktualisierte Prozessbriefe: Im Laufe des Verkaufsprozesses kann es aus verschiedenen Gründen erforderlich sein, den Prozessbrief anzupassen oder zu ergänzen, etwa wenn sich der Zeitplan ändert, zusätzliche Bieter hinzukommen oder sich die Anforderungen an die Angebote ändern.

Neben diesen transaktionsbezogenen Prozessbriefen gibt es auch standardisierte Prozessbriefe, die Investmentbanken oder M&A-Boutiquen als Teil ihres generellen Auktionsprozesses verwenden. Diese dienen als Vorlage und werden dann für die konkrete Transaktion angepasst.

Erstellung und Versand des Prozessbriefs

Die Erstellung des Prozessbriefs liegt typischerweise in der Hand des M&A-Beraters, der den Verkaufsprozess steuert. Dabei stimmt er sich eng mit dem Verkäufer und gegebenenfalls weiteren Beratern (z.B. Wirtschaftsprüfern, Anwälten) ab.

Wichtig ist, dass der Prozessbrief klar, präzise und vollständig ist. Die Bieter müssen sich ein genaues Bild vom geplanten Ablauf machen können und ihre eigene Ressourcenplanung darauf abstimmen können. Gleichzeitig darf der Prozessbrief aber nicht zu starr sein, sondern muss dem Verkäufer eine gewisse Flexibilität für Anpassungen lassen.

Versandt wird der Prozessbrief per E-Mail, oft zusammen mit weiteren Dokumenten wie dem Informationsmemorandum oder Vertraulichkeitsvereinbarungen (NDA). Der Versand erfolgt zentral durch den M&A-Berater, um die Vertraulichkeit und die Gleichbehandlung aller Bieter sicherzustellen.

Herausforderungen und Erfolgsfaktoren

Die Gestaltung und Verwendung von Prozessbriefen ist oft mit spezifischen Herausforderungen verbunden:

  • Spagat zwischen Struktur und Flexibilität: Der Prozessbrief soll einerseits einen klaren Rahmen für den Verkaufsprozess setzen, andererseits aber auch Raum für unvorhergesehene Entwicklungen und individuelle Verhandlungen lassen. Diese Balance zu finden, ist oft eine Gratwanderung.

  • Umgang mit unterschiedlichen Bietertypen: Die Bieter in einem Auktionsprozess haben oft sehr unterschiedliche Hintergründe, Ziele und Herangehensweisen. Der Prozessbrief muss so gestaltet sein, dass er allen Bietertypen gerecht wird und keine Gruppe bevorzugt oder benachteiligt.

  • Wahrung der Vertraulichkeit: Der Prozessbrief enthält oft sensitive Informationen über das Zielunternehmen und den Verkaufsprozess. Es muss sichergestellt werden, dass diese Informationen vertraulich bleiben und nicht an unbefugte Dritte weitergegeben werden.

  • Verbindlichkeit und Haftungsrisiken: Einerseits soll der Prozessbrief eine gewisse Verbindlichkeit und Planungssicherheit für die Bieter schaffen. Andererseits will der Verkäufer vermeiden, dass daraus rechtliche Verpflichtungen oder Haftungsrisiken entstehen, wenn es zu Abweichungen oder Änderungen kommt.

Um diese Herausforderungen zu meistern und die Erfolgschancen zu erhöhen, sollten bei der Erstellung und Verwendung von Prozessbriefen einige Punkte beachtet werden:

  • Sorgfältige Planung und Abstimmung: Der Verkaufsprozess und damit auch der Prozessbrief müssen sorgfältig geplant und mit allen Beteiligten abgestimmt werden. Dabei sind die spezifischen Ziele, Prioritäten und Rahmenbedingungen des Verkäufers zu berücksichtigen.

  • Klare und präzise Formulierungen: Der Prozessbrief sollte in klarer, verständlicher Sprache verfasst sein und präzise Formulierungen verwenden. Missverständnisse oder Interpretationsspielräume sind zu vermeiden.

  • Ausgewogene Detailtiefe: Der Prozessbrief sollte einerseits genug Details enthalten, um den Bietern eine solide Planungsgrundlage zu geben. Andererseits sollte er nicht zu umfangreich und kompliziert sein, um die Bieter nicht abzuschrecken oder zu überfordern.

  • Flexibilität und Anpassungsfähigkeit: Der Prozessbrief sollte eine gewisse Flexibilität vorsehen, um auf unvorhergesehene Entwicklungen oder individuelle Bedürfnisse von Bietern reagieren zu können. Gleichzeitig muss klar kommuniziert werden, welche Punkte verbindlich sind und wo es Spielräume gibt.

  • Professionelle Prozesssteuerung: Nicht zuletzt kommt es auf eine professionelle und erfahrene Steuerung des gesamten Verkaufsprozesses an. Der M&A-Berater muss sicherstellen, dass alle Bieter den Prozessbrief erhalten und verstehen, dass die darin definierten Regeln eingehalten werden und dass der Prozess insgesamt fair, transparent und effizient abläuft.

Insgesamt ist der Prozessbrief ein wichtiges Instrument, um einen komplexen Unternehmensverkauf im Rahmen eines strukturierten Bieterverfahrens zu steuern und für alle Beteiligten transparent und nachvollziehbar zu machen. Richtig eingesetzt, schafft er Vertrauen bei den Bietern, erhöht die Effizienz des Prozesses und trägt so zu einem erfolgreichen Transaktionsabschluss bei.

Weiterführende Informationen zum detaillierten Ablauf eines Unternehmensverkaufs finden sich im Artikel "Unternehmensverkauf Schritt für Schritt".