Earn-Out-Klauseln: Kopplung des Kaufpreises an zukünftige Performance
Earn-Out-Klauseln sind ein weit verbreitetes Instrument in der Gestaltung von Unternehmenskaufverträgen. Sie dienen dazu, einen Teil des Kaufpreises an die zukünftige Entwicklung des verkauften Unternehmens zu knüpfen. Für Käufer und Verkäufer bieten Earn-Outs Chancen und Herausforderungen - ihre Ausgestaltung erfordert eine sorgfältige Abwägung und Verhandlung im Transaktionsprozess.
Funktionsweise und Ziele von Earn-Out-Klauseln
Eine Earn-Out-Vereinbarung sieht vor, dass der Käufer eines Unternehmens zunächst nur einen Teil des Kaufpreises (den sogenannten Basiskaufpreis) bei Abschluss der Transaktion zahlt. Der restliche Kaufpreis (der sogenannte Earn-Out) wird erst später fällig, wenn das erworbene Unternehmen innerhalb eines definierten Zeitraums bestimmte finanzielle oder operative Ziele erreicht.
Die Höhe des Earn-Outs und die zugrundeliegenden Erfolgskriterien werden individuell zwischen Käufer und Verkäufer verhandelt. Typische Kennzahlen sind Umsatz, Gewinn (z.B. EBIT oder EBITDA), Cashflow oder bestimmte Meilensteine wie die Einführung neuer Produkte oder die Erschließung neuer Märkte. Auch die Dauer des Earn-Out-Zeitraums variiert, liegt aber meist zwischen einem und fünf Jahren.
Aus Sicht des Käufers dient ein Earn-Out vor allem der Risikoabsicherung und der Überbrückung von Bewertungsdifferenzen:
-
Bei Unternehmen mit unsicheren Zukunftsaussichten oder in volatilen Märkten kann ein Teil des Kaufpreises an die tatsächliche Performance geknüpft werden. Entwickelt sich das Unternehmen schlechter als erwartet, reduziert sich auch der zu zahlende Kaufpreis.
-
Haben Käufer und Verkäufer unterschiedliche Einschätzungen über die Ertragspotenziale des Unternehmens, kann ein Earn-Out eine Kompromisslösung bieten. Der Verkäufer partizipiert an einer positiven Entwicklung, trägt aber auch das Risiko einer Zielverfehlung mit.
Für den Verkäufer bietet ein Earn-Out die Chance auf einen insgesamt höheren Verkaufserlös, wenn die vereinbarten Ziele erreicht oder übertroffen werden. Zudem kann eine erfolgsabhängige Komponente die Attraktivität für potenzielle Käufer erhöhen und so den Wettbewerb im Verkaufsprozess steigern.
Typische Fallkonstellationen für Earn-Out-Klauseln
Earn-Out-Klauseln kommen in der Transaktionspraxis in verschiedensten Konstellationen zum Einsatz, insbesondere bei:
-
Wachstumsunternehmen und Startups: Bei jungen Unternehmen mit noch kurzer Erfolgshistorie, aber hohen Wachstumserwartungen können Earn-Outs helfen, die Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung zu überbrücken.
-
Technologie- und IP-lastigen Unternehmen: Wenn ein wesentlicher Teil des Unternehmenswerts auf immateriellen Vermögenswerten wie Patenten, Marken oder Kundenbeziehungen beruht, deren Wertbeitrag schwer zu quantifizieren ist, bieten erfolgsabhängige Kaufpreisbestandteile eine Möglichkeit der Risikoverteilung.
-
Restrukturierungs- und Turnaround-Fällen: Bei Unternehmen in Krisensituationen oder mit Sanierungsbedarf kann ein Earn-Out die Finanzierung erleichtern und den Verkäufer am Erfolg der Restrukturierung beteiligen.
-
Strategisch motivierten Transaktionen: Bei Unternehmensverkäufen, die primär strategisch und weniger finanziell getrieben sind (z.B. zur Erschließung neuer Märkte oder Technologien), können Earn-Outs eine Brücke zwischen den Preisvorstellungen von Käufer und Verkäufer schlagen.
-
Mittelständischen Unternehmensverkäufen: Gerade bei eigentümergeführten Unternehmen kann ein Earn-Out die Bindung des Verkäufers über einen Übergangszeitraum sicherstellen und so einen reibungslosen Übergang gewährleisten.
Nicht für alle Transaktionen sind Earn-Out-Strukturen jedoch gleichermaßen geeignet. Bei reifen, stabilen Unternehmen mit gut prognostizierbaren Cashflows oder in kompetitiven Auktionsprozessen spielen sie oft eine untergeordnete Rolle. Auch wenn der Verkäufer nach der Transaktion keinerlei Einfluss mehr auf die Geschäftsführung hat, stoßen Earn-Outs an ihre Grenzen.
Herausforderungen und Risiken von Earn-Out-Klauseln
So attraktiv Earn-Out-Klauseln in der Theorie erscheinen, so herausfordernd kann ihre Umsetzung in der Praxis sein. Käufer und Verkäufer sollten die Chancen und Risiken sorgfältig abwägen:
-
Komplexität und Folgekosten: Je ausgefeilter die Earn-Out-Formel, desto höher der Verhandlungsaufwand und das Konfliktpotenzial. Auch die spätere Ermittlung der relevanten Kennzahlen (inkl. Abgrenzung von Sondereffekten) und die buchhalterische Abbildung können komplex und kostspielig sein.
-
Zielkonflikte und Manipulationsrisiken: Earn-Outs können falsche Anreize setzen, wenn der Verkäufer zulasten der langfristigen Entwicklung auf kurzfristige Ergebnisse und schnelle Zahlungen drängt. Auch das Risiko der Ergebnismanipulation oder der Verlagerung von Umsätzen und Kosten ist nicht zu unterschätzen.
-
Eingeschränkte Handlungsfreiheit für den Käufer: Je nach Ausgestaltung kann ein Earn-Out die unternehmerische Flexibilität des Käufers einschränken, etwa bei Restrukturierungen, Investitionsentscheidungen oder der Integration in die eigene Gruppe.
-
Unsicherheit und Haftungsrisiken: Für den Verkäufer bleiben Earn-Out-Ansprüche mit Unsicherheiten behaftet, da ihre Realisierung von der zukünftigen Entwicklung und den Entscheidungen des Käufers abhängt. Im Insolvenzfall sind Earn-Out-Forderungen zudem oft nachrangig.
-
Steuerliche und bilanzielle Fallstricke: Die Behandlung von Earn-Outs kann je nach Struktur und Jurisdiktion komplex sein, mit potenziellen Auswirkungen auf die Kaufpreisallokation, die Abschreibungen oder die Besteuerung beim Verkäufer.
-
Zwischenmenschliche Spannungen: Nicht zuletzt können Earn-Outs auch zwischenmenschlich belastend sein, gerade wenn Verkäufer und Käufer nach der Transaktion weiter zusammenarbeiten. Enttäuschte Erwartungen, Vorwürfe der Benachteiligung oder eskalierende Konflikte sind keine Seltenheit.
Angesichts dieser Fallstricke sollte der Einsatz von Earn-Out-Klauseln stets sorgfältig abgewogen werden. Eine klare, einfache Ausgestaltung, eine offene Kommunikation zwischen den Parteien und ein faires Interessenausgleich sind entscheidend für den Erfolg.
Checkliste zur Gestaltung von Earn-Out-Klauseln
Bei der Ausarbeitung einer Earn-Out-Regelung im Unternehmenskaufvertrag sind insbesondere folgende Punkte zu beachten und zu verhandeln:
-
Welches sind die Zielparameter für den Earn-Out (Umsatz, Gewinn, Cashflow, Meilensteine etc.)? Wie sind diese genau zu definieren und abzugrenzen?
-
Wie hoch ist die maximale Earn-Out-Zahlung und nach welcher Formel wird sie berechnet? Gibt es eine Untergrenze (Minimum) oder Obergrenze (Cap)?
-
Über welchen Zeitraum erstreckt sich der Earn-Out? Wann und in welcher Frequency erfolgen Abschlagszahlungen?
-
Welche Informations- und Kontrollrechte hat der Verkäufer während des Earn-Out-Zeitraums? Welche Entscheidungskompetenzen verbleiben beim Käufer?
-
Wie wird die Erreichung der Earn-Out-Ziele ermittelt und überprüft? Wer trägt die Kosten für eventuelle Wirtschaftsprüfer oder Gutachter?
-
Welche Auswirkungen haben außerordentliche Ereignisse (z.B. Restrukturierungen, Veräußerungen, Änderungen im regulatorischen Umfeld) auf den Earn-Out?
-
Wie werden potenzielle Interessenkonflikte (z.B. bei der internen Verrechnung oder bei Investitionsentscheidungen) gehandhabt?
-
Welche Mitwirkungs- und Wettbewerbspflichten treffen den Verkäufer während des Earn-Out-Zeitraums?
-
Unter welchen Bedingungen kann der Earn-Out angepasst, ausgesetzt oder aufgehoben werden (z.B. bei Kündigung oder Insolvenz einer Partei)?
-
Welches Recht ist anwendbar und wie werden eventuelle Streitigkeiten beigelegt (Gerichtsstand, Schiedsklausel, Mediationsverfahren)?
Jede dieser Fragen erfordert eine sorgfältige Abwägung und Ausformulierung im Kaufvertrag. Eine frühzeitige Einbindung erfahrener M&A-Berater und -Anwälte kann helfen, Fallstricke zu vermeiden und praxistaugliche Lösungen zu finden.
Fazit
Earn-Out-Klauseln sind ein mächtiges, aber auch komplexes Instrument in der Gestaltung von Unternehmenskaufverträgen. Richtig eingesetzt, können sie Transaktionen ermöglichen, die sonst an Bewertungsdifferenzen oder Risikovorbehalten scheitern würden. Sie schaffen eine Interessenkonvergenz zwischen Käufer und Verkäufer und belohnen eine positive Entwicklung des Unternehmens nach dem Verkauf.
Zugleich sind Earn-Outs mit vielen Fallstricken und Konfliktpotenzialen verbunden. Ihre Ausgestaltung erfordert Fingerspitzengefühl, Verhandlungsgeschick und vor allem eine klare, einfache und faire Struktur. Käufer und Verkäufer sollten Earn-Outs nicht als Allheilmittel verstehen, sondern als eine Option, die im Einzelfall sorgfältig geprüft gehört.
Nicht zuletzt hängt der Erfolg einer Earn-Out-Vereinbarung auch von "weichen" Faktoren ab: Von einer offenen, vertrauensvollen Kommunikation zwischen den Parteien, von realistischen Erwartungen auf beiden Seiten und von der Fähigkeit, auch in schwierigen Situationen konstruktiv und lösungsorientiert zusammenzuarbeiten. Wo diese Voraussetzungen erfüllt sind, können Earn-Outs ein wertvolles Element im M&A-Werkzeugkasten sein.